Samstag, 9. Juli 2011

Ich flingere, du flingerst, er/sie/es flingert, wir flingern...

Gehörte ich zur Duden-Redaktion, würde ich alles dafür tun, dieses Verb in das deutsche Vokabular einzuführen. Aber ich dudle nicht. (Hierzu: Sprichst du noch oder dudelst du schon?)
Trotzdem muss ich sagen: Noch nie hat sich der Name eines Stadtteils morphologisch besser zur Implementierung in die bestehenden grammatischen Strukturen geeignet! Ich bin förmlich überflingert von den sprachlichen Möglichkeiten, die sich in Flingern auftun. Ja, beim Fling, das bin ich!

Diese schamlose Flingerisierung müsst ihr mir, bitte, verzeihen. In mir schlägt nun einmal das Herz einer, die  mal Sprachwissenschaften studiert hat. Vielleicht kennt ihr ja auch Stadtteilnamen, die sich super konjugieren, deklinieren oder anderswie grammatisch umformen lassen? Falls ja, dann lasst hören – vielleicht ist ja etwas dabei, was tatsächlich später einmal in den normalen Sprachgebrauch aufgenommen wird und dann können wir uns auf die Schulter klopfen und sagen: Das haben wir initialisiert! Wäre das nicht überflingernd! O.K., der Schuss ging nach Flingern los. Ich kann's nicht mehr lassen. Ich habe mich angeflingert. UND ES WIRD ZEIT, EUCH MITZUTEILEN, WARUM: Ich bin letzte Woche mit meinem Mann nach Düsseldorf, Flingern, gezogen. Meine geliebte Wahlheimatstadt Frankfurt muss nun ohne mich klar kommen. Leb wohl, Goethe – helau, Düsseldorf! Schreck, lass nach!

Düsseldorf mag uns nicht. Es heißt uns mit grottenschlechtem Wetter willkommen. Es hat uns in eine Straße verschlagen, in der überdurchschnittlich viele Opfer  – wie mein Mann sie lieblos nennt – herumlaufen. In den restlichen Straßen wimmelt es nur so von nobler Düsseldorfer Arrogantia. Unsere – immerhin sehr schöne – Wohnung hatte schon am ersten Tag ein verstopftes Rohr und die restlichen Tage ließ sie uns bar warmen Wassers. Das können natürlich auch alles kleine, ironische Zufälle sein. Da wird es doch verständlich, dass frau sich  in dieser series of unfortunate events freut, wenn wenigstens der Name des neuen Wohnviertels etwas für die Seele hergibt. Düsseldorf mag uns also nicht und wir mögen es auch nicht. Noch nicht. Ich erinnere mich an die Anfangszeit in Frankfurt – die war zwar anders schwierig, aber schwierig nichtsdestotrotz.

Alle anderen Straßen in Flingern sind besser. Aber mein Mann und ich, wir werden auch diese elende Birkenstraße gentrifiziert bekommen. Ja, beim guten Fling, das werden wir! Warum sollten es immer die hippen Straßen sein? Das wäre doch langweilig. Gar keine Herausforderung. Wir sind doch keine Warmduscher! 

Ich sage ja nicht, dass ich gern in „sozialen Brennpunkten“ lebe, aber mir gefällt ein urbaner, zuweilen auch rauer Mix. Und damit meine ich wirklich einen Mix, und nicht diese gemäßigten, spießigen Reste dessen, was eine prosperierende Künstlergegend zu sein pflegte, dann aber Kultstatus erlangte und dann an denselbigen ihre Souveränität verlor. Die Überflutung der coolen, alternativen, lebendigen, Gegenden, die auf Kunst und nicht auf Geld setzen, durch ihre möchtegern-coolen und viel weniger alternativen Anhänger ist ein unumgängliches Schicksal.  Weil diese Gegenden so ECHT sind, also eine richtige Seele, nein, viele richtige SEELEN haben, bekommen sie schnell Anhänger, die sich dem Geldverdienen verschrieben haben, solchen mit kaum Selbstzersörungs- aber umso mehr Fortpflanzungsdrang, mit Kinderwagen und bio-fähigen Gehältern. Versteht mich nicht falsch, das mit dem Geldverdienen ist vollkommen in Ordnung. Das Problem ist, dass die Yuppies selten mit den Alternativos klarkommen. Sie können selten Tür an Tür  mit ihnen koexistieren, ohne sich unbehaglich zu fühlen. 

Die Yuppies strömen also in die  (sich dank armer, junger Künstler und Studenten verwandelnden) Underdog-Viertel und treiben mit ihren besseren Gehältern die Mieten in die Höhe. Das hat zur Folge, dass die jungen Wilden sobald die Verwandlung etwas vorangeschritten ist, ganz aus dem Viertel, der Straße etc. verdrängt werden. Das Kultviertel wird zur Spießergegend. So ist der Lauf der Dinge. 

Und in Flingern flingern jetzt die Frankfurter Nordender – da kann sich die Flingerer Birkenstraße auf etwas gefasst machen! Gestern hat sich mein Mann schon ein Fahrrad für seinen noch ungezeugten Sohn ausgesucht. Die Birkenstraße weiß gar nicht, wie kurz sie vor der ultimativen Nordendisierung steht!

1 Kommentar:

  1. zwei unautorisierte Leerzeichen :))
    Ein Lebenszeichen von mir: haltet tapfer durch! Umzüge sind immer schwierig, meine Erfahrung sagt mir aber auch: es wird dann alles besser. Lasst euer Leben flingern (oder so ähnlich)! ;)

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