Dienstag, 23. August 2011

Roots or routes?

Wir sind keine Inseln. Als Inseln versänken wir doch nur.  

Ich verrate euch mal etwas Freakiges. Vor einigen Tagen, hatte ich eine ziemlich dunkle Vision: Ich sah plötzlich alle Menschen, die mir nahe stehen, überschattet von und gefangen in Einsamkeit. Außer ihrer Einsamkeit konnte ich weder etwas Anderes mehr sehen noch fühlen. Und weil mich mit den betroffenen Menschen tiefe Gefühle, teilweise sogar eine Art Seelenverwandschaft verbindet, tat mir diese Vision so weh, dass ich tatsächlich weinen musste.

Gerade seit ich von Frankfurt nach Düsseldorf gezogen bin, ist mir klar, wie wichtig es ist, jemanden zu haben, mit dem man den Alltag, die höchst genialen und die entzückend banalen Gedanken, die Gefühle teilt. Jemanden zum Anfassen und Umarmen, jemanden, der uns verwurzelt! In der Uni hatten mir Cultural Studies Seminare zumindest beigebracht, dass gerade bei Menschen mit 'Migrationshintergrund' ein Gefühl der Entwurzelung nicht ungewöhnlich ist. Aber ich hatte für mich schon längst anders entschieden. Das Englische "to put down roots", das die Langsamkeit des Prozesses besser verbildlicht als das Deutsche "Wurzeln schlagen", sah ich als eine Befähigung: Ich entscheide mich dafür, hier zu sein, hierher zu gehören. Wie könnte ich dann entwurzelt sein? Nein, das betraf mich nicht.

Das erste Mal als ich über die Einsamkeit des Einzelnen in der heutigen Gesellschft ernsthaft nachgedacht habe, war als ein Frankfurter Radiosender eine Aktion gestartet hatte, in der ein Moderator vor der Frankfurter Alten Oper jedem, der umarmt werden wollte, eine Umarmung schenkte. Ich habe unweit des Geschehens gewohnt und mit eigenen Augen gesehen, wieviele Leute - im fortgeschrittenen Alter aber auch junge! -  brav in der Schlange auf ihre Umarmung warteten. Aktionsgeilheit ist sicherlich nicht auszuschließen, aber trotzdem machte mich dieser Ansturm nachdenklich.

Der Auslöser für diese "Last-der-Welt-Nachdenklichkeit" war der nur wenige Tage zurückliegende Besuch meiner Mutter und meines besten Freundes, die ich schon einige Monate nicht gesehen hatte. Ihr Besuch war natürlich schön aber viel zu kurz, und beim Abschied hat meine Mum geweint (von wem ich das mit dem Überemotionalen habe, ist somit geklärt). Als ich kurz danach an die Routen, die ich eingeschlagen habe, und an geliebte Menschen dachte, die dadurch nicht in meiner Nähe waren und es wahrscheinlich nie wieder (für länger) sein würden, da vermisste ich diese Menschen schrecklich. Sie, die mich zu einem vergangenen Zeitpunkt meines Lebens so verwurzelt haben, wie es jetzt nur noch der Mann an meiner Seite tut. Und trotzdem habe ich diese Menschen verlassen. Um meinen Weg zu gehen. So wie es schon viele vor mir getan haben, so wie es seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts in der zunehmend individualistischen Gesellschaft üblich geworden ist.

Ist es berechtigt zu fragen: Ist es das wert? Was macht uns glücklicher: den individuellen Bestrebungen folgen oder in der Nähe geliebter Menschen bleiben? So viele Menschen, die mir nahe stehen, sind einsam. Und die meisten, weil sie irgendwann in ihrer Vergangenheit eine Entscheidung getroffen haben, die sie in dem Moment glücklicher gemacht hat, als geliebten Menschen nah zu sein. Ein paar aber, haben sich einfach mit den Umständen, sprich: den verlassenden Freunden und/oder Famielienmitgliedern, abfinden müssen. Psychologischen Einstufungen zufolge, wären beide Gruppen depressionsgefährdet! Es heißt, wer aus seiner sozialen Gruppe ausscheidet, oder wer sie plötzlich verliert, dem droht die Vereinsamung. Ständiges Hopping, egal in welchem Lebensbereich, egal ob aktiv oder passiv, entwurzelt immer wieder. Es liegt an uns, immer wieder den Anschluss zu suchen und zu finden.

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